"i believe" ist ein konzertantes Werk über den Holocaust. Musik und Worte erzählen eine Geschichte von Hass, Überlebenskampf und Hoffnung aus der Sicht von Opfern und Tätern. Es ist ein ungewöhnlich groß angelegtes Werk in 12 Sätzen, das sich der musikalischen Möglichkeiten eines Symphonieorchesters, eines großen gemischten Chores, eines Kinderchores, von Gesangsensembles und Solisten sowie eines Erzählers bedient.
[Quelle: ibelieveproject.org]
Da wir das Werk auf Englisch vortragen, finden Sie unten eine deutsche Übersetzung der Einführungstexte zu den einzelnen Kapiteln sowie einiger Auszüge aus den gesungenen Texten. Die Übersetzungen verdanken wir Stefanie Schwiebert und Kristin Rheinwald:
Die NS-Ideologie hat ihre Wurzeln in völkischen Gruppierungen des wilhelminischen Kaiserreichs. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs entwickelte sich daraus eine eigenständige politische Bewegung, die durch eine radikal antisemitische, rassistische, nationalistische und imperialistische Weltanschauung geprägt war. Die 1920 aus der Deutschen Arbeiterpartei hervorgegangene NSDAP war bis 1929 nicht mehr als eine Splittergruppierung. Durch die Weltwirtschaftskrise gewann die Partei danach erheblich an Einfluss und wurde bei den Reichstagswahlen 1930 stärkste Partei. Am 30.1.1933 wurde Adolf Hitler vom Reichspräsidenten von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt; nach der sog. Machtergreifung ließ Hitler mittels des Ermächtigungsgesetzes alle anderen Parteien verbieten. Gleichzeitig begann die Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen unter das NS-Regime.
Unmittelbar nach der Machtübernahme begann die planvolle Judenverfolgung der Nazis, die an lange vorhandene Ressentiments anknüpfen konnte. Schon in ihrem Parteiprogramm vom 24. Februar 1920 hatte die NSDAP gefordert, dass Volksgenosse nur sein kann, wer "deutschen Blutes" ist. Hitler selbst machte bereits in „Mein Kampf“ und in Interviews der frühen zwanziger Jahre keinerlei Hehl aus seiner judenfeindlichen Gesinnung und der Bereitschaft zur gewaltsamen Vertreibung der jüdischen Mitbürger. Ab März 1933 gab es erste Berufsverbote. 1935 wurden die "Nürnberger Gesetze" erlassen, die den Juden die deutsche Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht entzogen. Ehen zwischen Juden und Deutschen wurden verboten.
Die November- oder Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde als Reaktion auf die Ermordung des dritten Sekretärs in der deutschen Botschaft in Paris, Ernst vom Rath durch Herschel Grynszpan dargestellt. Im Laufe des Pogroms wurden etwa 1000 Synagogen im ganzen Reichsgebiet in Brand gesetzt oder vollständig zerstört, über 800 jüdische Geschäfte wurden abgebrannt und ausgeraubt, und hunderte Wohnungen und Häuser zerstört oder beschädigt. Die zerbrochenen Glasscheiben der Synagogen und Geschäfte gaben dem Pogrom den Namen „Reichskristallnacht". 91 Juden wurden ermordet und etwa 30.000 festgenommen und in Konzentrationslager deportiert. Nach dem Pogrom wurde über die Opfer eine willkürliche Geldstrafe in Höhe von einer Milliarde Reichsmark verhängt. Ihr Eigentum, das beschädigt worden war, mussten sie selbst wieder aufbauen.
Zerbrochenes Glas, eingetretene Türen,
zertrümmerte Stühle, verwüstete Zimmer
Warum, Gott? Warum?
Sinnlose Gedanken, gestammelte Worte,
zerstörte Leben, Welt in Trümmern.
Warum, Gott? Warum?
Ich habe Angst.
Im Zuge der forcierten Auswanderungspolitik durch die nationalsozialistische Reichsführung nach den Novemberpogromen versuchten viele jüdische Mitbürger, Deutschland zu verlassen. Dabei stellten nicht nur die hohen Kosten für die Überfahrt ein Problem dar, den die Emigranten selbst zu zahlen hatten. Auch waren viele Länder wie die USA nicht bereit, ihre Einwandererzahlen zu erhöhen und weigerten sich, Flüchtlinge aus Deutschland aufzunehmen. Am 13. Mai 1939 brach die MS St. Louis mit 937 Männern, Frauen und Kindern an Bord von Hamburg nach Kuba auf. Die Passagiere wussten nicht, dass ihre erworbenen Visa eine Woche zuvor von der kubanischen Regierung per Dekret für ungültig erklärt wurden. So durfte die St.Louis nicht in Havanna anlegen, während die kubanische Regierung Verhandlungen über die Einreise der Passagiere führte. Nach Tagen der Ungewissheit an Bord verließ die St. Louis das von Korruption, innerpolitischen Machtkämpfen und antisemitischen Demonstrationen geprägte Kuba und war gezwungen, nach Europa zurückzukehren. Dank einer jüdischen Hilfsorganisation durften die Flüchtlinge in unterschiedlicher Anzahl in Großbritannien, Frankreich, Holland und Belgien einreisen. 254 von ihnen starben nach der Invasion in Westeuropa.
Wir müssen aufbrechen
Wir dürfen nicht zögern
Eine Chance dem Hass zu entfliehen
Eine Chance zu entkommen
Eine Chance zu entkommen
Eine Chance dem Hass zu entfliehen
Leinen los, Leinen los
STOP!
Ihr könnt hier nicht anlegen
ihr könnt hier nicht bleiben
Hier nicht erwünscht, dort nicht erwünscht,
hier nicht und dort nicht,
dort nicht und dort und dort und dort...
Unter den sechs Millionen jüdischen Opfern des Naziterrors waren 1,5 Mio. Kinder. Neben jenen, die mit ihren Eltern in Ghettos und Konzentrationslagern ermordet wurden, gab es eine Vielzahl von Kindern, die ihren Eltern entzogen und getötet wurden. Der bekannteste Fall ist wohl die Deportation zehntausender Kinder aus der Gegend um Zamość (Polen) nach Auschwitz. Viele Eltern trafen die Entscheidung, sich von ihren Kindern zu trennen und sie fortzuschicken, um damit ihre Zukunft zu sichern. Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gelangten 5.000 Kinder nach Palästina, weitere 9.000 fanden nach dem Novemberpogrom 1938 in Großbritannien Zuflucht. Die Kinder konnten die Umstände ihrer Deportation nicht verstehen und fühlten sich von ihren Familien verstoßen. Sie wurden in ein unbekanntes Land geschickt, dessen Sprache sie nicht beherrschten. Die meisten Kinder, die auswandern konnten, sahen ihre Eltern nie wieder.
Wenn ich König oder Königin bin
dann musst du mit mir fliegen
Wir fliegen so hoch, dass unsere Köpfe an den Himmel stoßen
und wenn wir ihn erreichen, berühren wir einen Stern und wünschen uns
was und träumen wir wären ein helles Licht,
sichtbar für die ganze Welt. Nimm meine
Hand, komm und flieg mit...Mir
Hier stimmt etwas nicht
Warum weint meine Mutter?
Mein Vater schaut so traurig
Was kann so schrecklich sein?
Ich weiß nicht, warum ich solche Angst habe
Bitte lieber Gott, hör mich
Mach, dass es vorbei geht
Flieg davon, flieg davon, bring mich nach
Haus wo wir lachten, liebten, glücklich waren
Mit seinem Verhalten und seinen Worten flößte Adolf Hitler Millionen Menschen Furcht ein und befeuerte zugleich ihre Vorstellungskraft. Unter dem Eindruck seiner Reden wurden Vernunft und Mitgefühl bis zur Unkenntlichkeit pervertiert/verstümmelt; wir nennen es heute den Holocaust.
Er sagte
Abtransportieren
Er sagte
Auslöschen ausrotten
Er sagte
Auslöschen ausrotten
Er sagte
Auslöschen ausrotten
Er hasst, er lügt, er verabscheut, er stachelt
auf zum Hass, er verdreht die Wahrheit, er
verachtet, er brandschatzt und brandschatzt
und verbirgt es vor der Welt, der Welt.
Die Deportation und Ermordung europäischer Juden begann spätestens nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941. Ihre Umsetzung verlief zu Beginn noch unorganisiert. Dies änderte sich mit der Wannsee-Konferenz am 20.1.1942, zu der Reinhard Heydrich, Zweiter Kommandeur der SS, im Auftrag Hermann Görings zahlreiche hohe Funktionäre wie Dr. Wilhelm Stuckart, Staatssekretär im Ministerium des Innern, Erich Neumann, Staatssekretär im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan, Dr. Roland Freisler, Staatssekretär im Reichsjustizministerium und Dr. Josef Bühler, Staatssekretär im Amt des Generalgouverneurs, geladen hatte. Ziel der Wannsee-Konferenz war die Koordination der systematischen Deportation und Ermordung der europäischen Juden durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Reichsbehörden. Die Akribie und Detailgenauigkeit im Protokoll zeigt die Entschlossenheit, das jüdische Volk in Europa, das im Protokoll mit „rund 11 Millionen“ beziffert wird, nicht nur zu vertreiben, sondern vollständig auszurotten.
Endlösung
Kein Raum für Zweifel
Evakuieren
Exekutieren
Auslöschen und
Liquidieren
Halte durch, es wird nicht ewig dauern
Bald werden wir zu Hause sein
Wir werden wieder lachen
Komm zu mir, mein müdes Kind
Und mach die Augen zu
Flieg davon
Ich glaube, das Ende ist nah
ist nah
Die Kennzeichnung als Jude wurde bereits im Mittelalter praktiziert und diente nicht nur der Unterscheidung von der restlichen Bevölkerung, sondern von jeher bereits als Demütigung. Während die jüdischen Mitbürger ab 1939 zunächst durch den Namenszusatz Sara bzw. Israel im Pass und schließlich durch den Davidstern oder andere farbige Kennzeichnungen auf der Kleidung von der „deutschen“ Bevölkerung separiert wurden, erfuhr die Markierung in den Konzentrationslagern eine weitere Verschärfung. Zum Zwecke der bürokratischen Ordnung erhielt jeder Häftling bei der Aufnahme ins Lager eine Nummer, die auf der Kleidung angebracht wurde. Diese Nummer ersetzte ab sofort den Namen der Person und kam einer Entpersonifizierung gleich. Im Lager Auschwitz wurden die Nummern gar auf den Körper der Häftlinge tätowiert.
Wir sind Zahlen auf einem Blatt
Wir sind Spalten, wir sind Kolonnen
Wir sind Stückwerk, wir sind Dinge
Wir sind vergessen, wir sind unbekannt
Wir sind Zahlen
Wir sind Zahlen
Bei unserer Geburt bekommen wir einen Namen, und mit diesem Namen bauen wir unser Leben auf. Unsere Identität als Mensch bleibt für immer mit unserem Namen verbunden. Tilgen wir die Namen und ersetzen sie durch Nummern, werden wir zu Objekten, nicht mehr als Fußnoten in einem Buch. Und wenn die Nummern nicht länger gebraucht werden, werfen wir sie weg, denn es ist viel einfacher, eine Nummer auszuradieren als einen Namen. Wenn man in den Augen derer, die die Nummern zählen, weniger ist als Mensch, ist Ausrottung moralisch keine sonderlich komplizierte Angelegenheit.
Der menschliche Geist ist jedoch enorm widerstandsfähig; was von der Oberfläche entfernt wurde, kann nicht so leicht vollständig daraus eleminiert werden. Unsere Namen klingen nicht nur in unseren Ohren nach, sondern sind unauslöschlich in unsere Seelen eingeprägt. Ein Geschenk, das man hegen und liebevoll pflegen sollte.
Während des Holocaust wurden Millionen von Juden und anderen entrechteten Menschen die Namen genommen und durch Nummern ersetzt. Sie erlitten das schändliche Schicksal, entmenschlicht, gezählt und wie Lasttiere zusammengetrieben und schließlich ausgerottet zu werden. Diejenigen, die überlebt haben, erinnern uns alle an die unzerstörbare Natur der menschlichen Seele und die Macht des Namens.
Ich habe einen Namen
Amen
Ich habe einen Namen
Amen
Du kannst mich ausbeuten
Töten
Aber du kannst mir
niemals
nein,
niemals
meinen Namen nehmen
Als die alliierten Truppen immer weiter vorrückten, wurden die Konzentrationslager nach und nach geräumt – evakuiert, wie es offiziell hieß. Die großflächige Auflösung der Lager begann im Sommer 1944 und wurde noch buchstäblich bis zum Tag der Kapitulation durchgeführt. Dabei wurden hunderttausende Männer, Frauen und Kinder auf sogenannte Todesmärsche geschickt. Ohne Nahrung und Wasser wurden sie gezwungen, Hunderte von Kilometern ins Reichsinnere in die Lager zu marschieren, die sich noch auf von den Nazis besetztem Gebiet befanden. Diejenigen, die zu schwach waren und zurückblieben, wurden umgehend von den Wachen ermordet. So kam oft nur ein kleiner Teil der Inhaftierten lebend, aber völlig kraftlos und ausgemergelt, am jeweiligen Bestimmungsort an.
Nach Kriegsende suchten hunderttausende Überlebende, darunter tausende verwaiste Kinder, in den Ruinen Europas nach einem Weg, ihr Leben neu aufzubauen. Einige versuchten, nach Hause zurückzukehren, doch die meisten der Entwurzelten, deren Besitz von den Nazis beschlagnahmt worden war, strebten die Auswanderung an. Die Alliierten errichteten in Deutschland, Österreich und Italien Lager für die sogenannten „Displaced Persons“, d.h. für Flüchtlinge, die keinen festen Wohnsitz mehr hatten. Bei Kriegsende gab es in Europa etwa sieben Millionen DPs. Darunter waren rund 250.000 Juden. Von ihnen wanderten etwa 136.000 nach Israel aus, in die USA etwa 80.000, rund 12.000 blieben in Deutschland. Auch in Stuttgart gab es von 1945-49 ein DP-Lager in der Reinsburgstraße, in dem zeitweise 1600 Menschen unter beengten Verhältnissen lebten, was zu erheblichen Konflikten im Lager und mit den Behörden führte. Erst die erleichterte Emigration in die USA und die absehbare Gründung des Staates Israel (15. Mai 1948), die den DPs eine Weiterreise ermöglichte, entspannte die Lage.Die wenigen Kinder, die überlebt hatten, standen nach der Befreiung vor dem Nichts, eine Heimat oder Familie gab es nicht mehr. Jüdische Organisationen nahmen sich der Waisen an und gründeten sogenannte Children Centers, in denen sie Zuflucht fanden.
Ist das Freiheit?
Flieh, flieh
Flieh, flieh
Soll ich fliehen oder bleiben
Ich weiß nicht, was besser ist
Seit Tagen habe ich nichts gegessen
Jahrelang habe ich Hass gefressen
Hörst du’s, hörst du’s
Die Freiheit kommt näher, sie ist nah
Hört Ihr, hört Ihr
Die Freiheit kommt näher, sie ist nah
Nachdem nun dies alles gesagt und getan wurde, was soll ein Überlebender des Holocaust tun? Die Familien vieler wurden ermordert, ihre Häuser enteignet und in der früheren Nachbarschaft waren sie nicht willkommen, um es milde auszudrücken. Die Einwanderungspolitik zeigte sich unversöhnlich; wer wollte schon „beschädigte Ware“. Diejenigen, die das Glück hatten, überlebende Freunde oder Angehörige zu finden, hatten nichts und waren auf das Wohlwollen anderer angewiesen, ebenso erging es den Tausenden von verwaisten Kindern. Die Welt hatte ihnen allen den Rücken zugekehrt und unternahm nun den Versuch zu helfen; zu wenig und für manche zu spät.
Was nun?
Was nun?
Werde ich je wieder lieben?
Keine Ahnung, wie
Ich weiß nicht, was ich fühlen soll
Ich weiß nicht, was ich sagen soll
Als ich dich brauchte
Wandtest du dich ab
Was nun?
Was nun?
Ich muss irgendwie weiterleben
Aber tief in mir lebt das Elend
Es lässt mich nicht los
Erinnerung ist wichtig. Das Gedenken geht mit uns Seite an Seite als ein gleichberechtigter Partner, während wir moralisch wachsen. Wir müssen uns an jene Menschen und Ereignisse erinnern, die die Menschheit geprägt haben und dies auch zukünftig tun. Der Holocaust ist ein Zeugnis über das Ausmaß menschlicher Fehlbarkeit und moralischer Schwäche. Verstand und Vernunft können trügen und Wahrheit vorgaukeln, so wie während des Holocaust. Wir müssen unaufhörlich am moralischen Gefüge unserer Gesellschaften bauen, in der Hoffnung auf einen aufgeklärten Frieden. Frieden ist kein Abschluss, sondern eine beständige Reise, die eines aufmerksamen und mitfühlenden Steuermanns bedarf.
Und ich hoffe
Und ich bete
Einst kommt der Tag, an dem wir sagen werden
Nie mehr Hass...flieg davon
Nie mehr Angst...flieg davon
Nie mehr Weinen...flieg davon
Nie mehr Angst...flieg davon
Ich glaube, dass dieser Tag kommen wird